20. April 2017

Stellungnahme: Ausschaffungen nach Ungarn gehen weiter

Bundesrätin Sommaruga antwortet auf unser Protestschreiben: Die Entwicklung des Asylrechts in Ungarn gebe zwar zur Sorge Anlass. Ausschaffen tut die schweiz jedoch weiter. Letzten Monat erneut zwei Menschen.

Die Schweiz will Geflüchteten, die über Ungarn in die Schweiz gereist sind, weiterhin keinen Schutz bieten. Dies obwohl das autoritäre Orban-Regime die Internierung von Geflüchteten mit aller Härte durchsetzt, an der ungarischen Grenze Sperranlagen baut und Geflüchtete kriminalisiert und verfolgt.

Allein im März schafften die schweizer Ausschaffungsbehörden zwei Menschen nach Ungarn aus. Zudem erhielten erneut 12 Geflüchtete, die über Ungarn in die Schweiz gereist sind, negative Asylentscheide (vgl. Asylstatistik des SEM).

Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) schaut weiterhin weg
Zwar stoppt es Ausschaffungen, indem es Beschwerden von Personen nicht beantwortet, die sich juristisch gegen ihre Verschleppung in die ungarischen Internierungslager wehren. Diese Massnahme nennt sich „Sofortiger Vollzugsstopp“. Der Vollzugsstopp kann aber jederzeit aufgehoben werden. Die betroffenen Personen sind deshalb auf unbestimmte Zeit der zermürbenden Wirkung der Gewalt im schweizerischen Asylregime der totalen (Rechts-)Unsicherheit ausgesetzt.

Diese Wegschaupolitik dauert seit Februar 2016.

Billige Antwort auf unseren Protest
Vor einem Monat haben wir zusammen mit der betroffenen Familie K. und anderen Aktivist_innen vor dem Hauptsitz des EJPD protestiert und Protestbriefe eingereicht. Auf unser Protestschreiben, in dem wir die Internierung und Verfolgung geflüchteter Menschen in Ungarn anprangern, antwortet Bundesrätin Sommaruga: „Die Entwicklung des Asylrechts in Ungarn gibt zu Sorgen Anlass.“ Die Sorge scheint allerdings nicht allzu gross, denn im Weiteren schreibt sie, dass eine „Anpassung der Asylpraxis“ nicht notwendig sei. Die schweizer Behörden würden bei „gewissen Konstellationen, beispielsweise bei besonders verletzlichen Personen“ vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen. Statt sich zu sorgen sollte Sommaruga jedoch handeln. Denn wenn Internierung und Verfolgung keine Änderung der Asylpraxis bewirken, was dann? Auf das Protestschreiben von Familie K. antwortet Mario Gattiker, Staatssekretär des SEMs in gleicher Weise wie die Bundesrätin: Das SEM beobachte und analysiere die Lage in Ungarn.

Sommaruga und das SEM könnten dem Leiden ein Ende bereiten
Vom gesetzlich verankerten Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und auf Gewalt gegen Geflüchtete, die über Ungarn in die Schweiz reisten, zu verzichten, wäre nicht revolutionär, sondern selbst in bürgerlicher Manier legitim und vor allem minimal menschlich. Sommaruga könnte von „humanitärer Tradition der Schweiz“ oder von der „Glaubwürdigkeit des Asylsystems“ sprechen und die Ausschaffungen nach Ungarn offiziell stoppen. Doch sie tut es nicht und lässt der Gewalt gegen Geflüchtete freien Lauf.
Sogar die UNO fordert ein Ausschaffungsstopp
Nicht nur das Bleiberecht Kollektiv Bern kämpft gegen diese rassistischen Zustände. Auch die Vereinten Nationen fordern einen allgemeinen Ausschaffungsstopp nach Ungarn. In der Schweiz verurteilen NGOs wie Human Rights Watch oder die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht die Ausschaffungen und den Rassismus in Ungarn. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe, die sich nicht rasch aus dem Fenster lehnt, fragt empört „Wann reagiert Europa?“.

 

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